Iran: Das sultanistische Regime

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Iran: Das sultanistische Regime

  
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
 
 
Der Dissident Akbar Gandschi bezeichnet das politische System des Iran als sultanistisch. Der „Führer” herrsche wie ein Sultan. Dieser habe die Trennung der drei Gewalten im Staat abgeschafft. Die drei Gewalten seien in seiner Funktion als Sultan vereinigt. Auch das Pseudoparlament, Madschless, werde sultanistisch regiert.

Der iranische Dissident Akbar Gandschi stellt in einer sozialwissenschaftlichen Analyse fest, dass in einem historischen Prozess das politische System des Iran sich zunehmend von einem charismatischen Führerstaat in einen militarisierten Führerstaat verwandelt hat. Den „Führerstaat” bezeichnet er als sultanistisch.

Gandschi vergleicht die drei Regierungsphasen von Rafsandschani, Khatami und Ahmadinedschad. In den letzten dreißig Jahren habe sich das Wesen der Verfassung und des „sultanistischen” Führerstaates nicht verändert, auch wenn die Regierungen ein unterschiedliches Verhältnis zu Führer und Volk hatten. Alle drei Regierungen wollten weder eine Änderung des politischen Systems im Iran noch beabsichtigten sie jemals das politische System zu demokratisieren, so Akbar Gandschi.

Sultanistisches Madschless

Gandschi liefert zunächst ein innenpolitisches Beispiel: Ali Khamenei habe das Madschless unter der Regierung von Khatami kritisiert: „Die allgemeine Stimme des sechsten Madschless widerspricht vielen Interessen unseres Systems.” Der „Führer” habe einige Reformer als zu „amerikanisch” bezeichnet. Manche Reformer hätten „dem Feind grünes Licht gegeben.” Aber das siebte Madschless unter Ahmadinedschad sei viel mehr im Sinne des sultanistischen Führers.

Auch die politische Unterdrückung sei in den drei Perioden unterschiedlich gewesen. Die Wahlen bezeichnet Gandschi als „gefälschte Pseudowahlen” [Shebhe Entekhabat Taqalobi]. Die politischen Gegner haben prinzipiell kein Recht an den Wahlen teilzunehmen. Gandschi schreibt: „Die Kandidaten, die sich zur Wahl stellen, müssen an die islamische Verfassung, an den Islam, an das Prinzip des Welayate Faqih, an Herrn Khomeini und Khamenei glauben.” Zwar organisiere das Staatsministerium die Wahlen, aber der Wächterrat habe die Macht, betont Gandschi. Schon bei früheren Wahlen habe der Wächterrat regelmäßig politisch unliebsame Kandidaten disqualifiziert.

Beispielsweise habe der Wächterrat die meisten „linken” Mitglieder des dritten Madschless nicht mehr für das vierte Madschless qualifiziert. Hier muss hinzugefügt werden, dass die islamistische „Linke”, deren Mitglieder auch als Reformer bekannt wurden, nie Reformen durchgesetzt haben. Auch unter der Khatamiregierung habe der Wächterrat mehr als 3500 Kandidaten disqualifiziert. Bei den Wahlen unter Khatami sei so umfangreich gefälscht worden, dass sogar Rafsandschani und Karrubi sich beschwert haben. Mostafa Tadschzadeh, ehemaliger hoher Mitarbeiter des Staatsministeriums, habe, als 3500 „linke” Islamisten disqualifiziert wurden, von einem „parlamentarischen Putsch” gesprochen,. Im Vorfeld der achten Madschlesswahlen am 14. März wurden 31 Prozent der „linken Reformer” disqualifiziert. Gandschi meint, dass sich „Herr Khamenei ein sultanistisches Madschless” wünsche. Der Sultan gehe davon aus, dass es sich lohne die „Unruhe von ein zwei Monaten auszuhalten, um vier Jahre Ruhe zu haben.”

Hinrichtungen von Andersdenkenden im In- und Ausland haben Tradition

Einen weiteren Aspekt, den Gandschi für alle drei Regierungen untersucht, ist die politische Unterdrückung. Die schlimmsten Unterdrückungen habe es im ersten Jahrzehnt unter dem charismatischen Führer Khomeini gegeben. Ali Khamenei, der gegenwärtige Führer, war von 1981-1989 Präsident des Iran. Schon in seiner Präsidentschaftszeit seien im Sommer 1988 auf Befehl von Khomeini Tausende hingerichtet worden, wobei hinzugefügt werden müsste, dass die Tausenden von Hinrichtungen, ohne jeglichen Prozess, die in den ersten Jahren der Revolution (1979 – 1988) begangen wurden, genauso wenig zu legitimieren sind.

Unter der Präsidentschaft von Rafsandschani habe der iranische Geheimdienst unter der Führung von Ali Fallahian Dutzende Gegner im Ausland erschießen lassen. Und unter Khatami habe der Geheimdienst Dutzende Intellektuelle und Politiker im Iran umgebracht. Die Morde wurden als Kettenmorde bekannt.
Khatami habe damals, dem Befehl des Sultans folgend, ausgerechnet einen „Hardliner” als Verantwortlichen für die Verfolgung der Mörder ernannt.

Linksislamistische Organisationen und Intellektuelle sollen ihre Kritik unter Ahmadinedschad zwar verstärkt haben, aber sie würden dafür auch einen hohen Preis zahlen, den der Disqualifizierungen seitens des Wächterrates. Bekannt sind aber auch die Zerschlagung der Studenten-, Lehrer-, und Frauendemonstrationen und die öffentlichen Hinrichtungen. Zwar gäbe es inzwischen bessere Gefängnisse als vor dreißig Jahren im Iran, dennoch sei die „soziale Unterdrückung” immens.

Populistische Politik iranischer Politiker

Akbar Gandschi stellt fest, dass alle Politiker der Islamischen Republik in den letzten Jahren eine vollständig populistische Politik betrieben haben. Ahmadinedschad spräche die Sprache der Straße. Aber nicht nur Ahmadideschad habe den Iranern versprochen, dass die Bevölkerung auch etwas von den Petrodollars bekommen würde. Während der Revolution sei ebenfalls der Bevölkerung versprochen worden, dass nicht mehr Amerika und die Schahfamilie vom Öl profitieren werden, sondern die gesamte Bevölkerung. Ahmadinedschad habe lediglich dafür gesorgt, dass die staatlichen Banken kurzfristige Kredite vergeben haben, die die Inflation angeheizt haben.

Gandschi betont, dass die Proteste der Bevölkerung dennoch nicht abgenommen haben. Die Regierung setze die Repressionen fort. Beispielsweise sei sogar der Direktor der Teheraner Universität infolge der Studentendemonstrationen abgesetzt worden. Unter der Regierung von Khatami hätten viele der heutigen Kader der verschiedenen unterdrückten Protestbewegungen mit der politischen Arbeit angefangen.

Der Oberste Nationale Sicherheitsrat

Gandschi schreibt, dass es zwar richtig sein mag, dass Ahmadinedschad sich ohne die Zustimmung des „Führers” gegen manche „moderate Hardliner” wie Ali Laridschani gestellt habe, aber schon Präsident Khatami habe einen Hardliner, Dori Nadschafabadi zum Geheimdienstminister ernannt.

Gandschi vergleicht auch die Funktion des „Obersten nationalen Sicherheitsrates” in den letzten drei Jahrezehnten. Dieser „Rat” stehe vollständig unter dem Befehl des „Führers”. Sowohl unter Rafsandschani, als auch unter Khatami und Ahamdinedschad habe dieser „Rat” die Medien hart zensiert. Auch Khatami habe als Vorsitzender des „Obersten nationalen Sicherheitsrates” seinen Beitrag zur Stärkung dieses Organs geleistet. Beispielsweise schreibe dieser „Rat” den Medien vor, worüber sie nicht berichten dürften. Verschiedene Themen können davon betroffen sein, von Problemen des Atomprogramms bis zu Unruhen in Kurdistan oder in der arabischen Provinz.

Die Militarisierung

Das politische System habe sich nach Gandschi in den letzten dreißig Jahren immer stärker militarisiert. Militärs der Bassidschi und der Revolutionsgarden haben immer mehr Ämter in der Wirtschaft übernommen und seien immer politischer geworden. Da der erste Revolutionsführer Ayatollah Khomeini ein charismatischer Führer gewesen sei und sich seiner Macht gewiss war, sei er gegen die Beteiligung von Militärs in direkter Staatspolitik gewesen. Aber Ali Khamenei sei von Anfang an militaristisch gepolt gewesen. Er habe schon unter der provisorischen Regierung von Basargan, zu Beginn der Revolution, Khomeini im Verteidigungsministerium vertreten. Als Präsident habe er durchgesetzt, dass das Geheimdienstministerium vom Präsidenten kontrolliert werden müsse. Ali Khamenei, den Gandschi als Sultan bezeichnet, sei schon immer für das Erregen von Furcht und Angst in der Gesellschaft gewesen und habe dies religiös begründet. So lässt sich auch erklären, warum Khamenei eine Reihe von alt gedienten Revolutionsgarden in die Leitung der staatlichen Medien oder bereits in das siebte Madschless befördert habe. Gandschi meint auch, dass die Revolutionsgarden dem Befehl des „Sultans” ausgesetzt sind und alleine nicht handeln dürfen. Unter Ahmadinedschad sei zudem das Staatsbudget für den Militärapparat im Vergleich zum Budget der Khatamiregierung verdoppelt worden. Die Revolutionsgarden würden inzwischen sogar mit Regierungen und Unternehmen anderer Staaten Verträge im Ölgeschäft unterzeichnen. Staatliche Häuserbauprojekte seien für Militärs und Sicherheitsbeamte forciert worden. Kürzlich habe ein General der Revolutionsgarden, Hassan Firuzabadi, davor gewarnt, dass amerikafreundliche Personen staatliche Ämter besetzen könnten.

Der Dissident Gandschi schreibt, dass es im „sultanistischen Regime” nicht die drei getrennten Gewalten der Judikative, der Exekutive und der Legislative gebe: Er schreibt: „Der Sultan hat es geschafft die drei Gewalten zu vereinheitlichen.”


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