„Hitler macht einen besseren Eindruck als angenommen“

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Jerusalem, 29. April 2008 – „Genugtuung und Selbstsicherheit bestimmen alle seine Bewegungen. Er ist 46 Jahre alt, Junggeselle und sieht für sein Alter jünger aus. Hitler macht einen besseren Eindruck als angenommen.“ Das schrieb Gerschon Savitt, der Berlin-Korrespondent der liberalen hebräischen Zeitung Haaretz im britischen Mandatsgebiet Palästina am 26. Januar 1932. „Er fühlt und benimmt sich wie ein Star. Alle Welt schaut auf ihn und er genießt es“.
Ilana Novetsky-Bendet, Doktorandin der Hebräischen Universität in Jerusalem, hat die hebräische Presse in den zwanziger Jahren zu ihrem damaligen Hitler-Bild untersucht. Dazu las sie sieben Zeitungen, liberale, revisionistische, fromme, linke und rechte. Schon Ende der zwanziger Jahre, noch vor der Machtergreifung der Nazis, interessierte sich die hebräische Presse für die Persönlichkeit Hitlers. Gleichwohl taten sich die jüdischen Zeitungen in Palästina schwer, die politische Kraft Hitlers und das zentrale Element des Antisemitismus in der Ideologie der Nazi-Partei rechtzeitig auszumachen. „Kaum jemand verstand den Ernst den Antisemitismus der Nazis“, sagt Bendet zum Haaretz. Die angesehene israelische Zeitung widmete dieser Forschungsarbeit unter der Leitung von Professor Mosche Zimmermann am Dienstag eine ganze Seite.
Das Wissen über Hitler und die Nazis erhielten die Zeitungen in den meisten Fällen von den Nachrichtenagenturen. Manche Texte kamen per Eisenbahn über Kairo. Einige Zeitungen Palästinas beschäftigen als Korrespondenten nach Deutschland eingewanderte russische Juden.
Im November 1932, als die Nazis leicht geschwächt aus den Wahlen hervorgingen, verkündete Haaretz schon das „das Ende der Karriere Hitlers“. In einem Kommentar stand: „Der Judenhass mag in Notzeiten eine große Anziehungskraft auf die finsteren Massen ausüben. Aber in Deutschland wird dieser Judenhass nicht automatisch umgesetzt, weil das deutsche Volk viel zu viel Kultur aufgesogen hat.“ Am 7. Dezember 1932 berichtet die Zeitung, dass Hitler jede Chance verloren habe, Einzelherrscher in Deutschland zu werden. Bestenfalls würden den Nazis „ein paar Krümel der Macht“ verbleiben.
Nach Angaben  der Forscherin hätten die Journalisten in Palästina nur wenig von den Intrigen hinter den Kulissen in Deutschland gewusst und seien deshalb „völlig überrascht“ gewesen, als Hitler zum Kanzler ernannt wurde. Alle hatten an die Abneigung Hindenburgs gegen Hitler geglaubt und sich darauf verlassen, dass er Hitler nicht an die Macht gelangen ließe. Es habe damals nur einen einzigen Journalisten gegeben, der die Gefahr der Nazis und Hitlers Machtanstieg richtig vorhergesehen habe: Itamar ben Avi, Sohn von Jehuda Ben Eliezer, der das Neuhebräische geschaffen hatte.
Die Zeitung „Volksfront“ des rechten Lagers der Revisionisten, begrüßte gar die Ernennung Hitlers zum Kanzler: „Die antisemitische Schale des Hitlerismus muss zwar weggeworfen werden, nicht aber der anti-marxistische Inhalt.“ Erst ein Eingreifen des Führers der Revisionisten, Zeev Jabotinsky, beendete 1935 die Begeisterung der Revisionistenzeitung für „die Abscheulichkeit“.
Am 5.5.1935 war die Zeitung „Davar“ noch zu Witzen aufgelegt. Hitler ging zu einer Vorhersagerin. Die erklärte ihm, dass er „einen Tag nach einem großen jüdischen Fest“ sterben werden. Daraufhin Hitler: „Dann werde ich eben alle jüdischen Feiertage abschaffen.“
Bis Ende der dreißiger Jahre glaubten die hebräischen Zeitungen, dass die demokratischen Mächte einen Kriegsausbruch verhindern könnten und dass vor Allem die deutschen Juden in Gefahr seien. Noch im April 1939, nach der Einverleibung Tschechiens, schrieb Jabotinsky, dass ein „europäischer Krieg“ endgültig abgewendet sei. Man glaubte, dass Deutschland für einen Krieg nicht gerüstet sei, dass da „Krach und Geläut“ gemacht werde und keine echte Gefahr bestand.
Erst nach dem Münchner Abkommen 1938 begannen die Zeitungen, sich Sorgen um den Bestand der kleinen jüdischen Gemeinschaft in Palästina zu machen. „Als sie sahen, wie sich Britannien und Frankreich mit ihrer Appeasement-Politik dem Willen Hitlers beugten, fürchteten auch die Juden in Palästina, dass die Briten sie auf dem Altar Hitlers opfern könnten, dass die Nazis bis zu den Toren des Landes Israel vordringen könnten und dass das zionistische Projekt der künftigen Gründung eines jüdischen Staates dann zusammenbrechen werde“, sagt Bendet. Sie kommt zum Schluss, dass die Zeitungen die Gefahren verdrängt hätten. Andererseits sei es nicht die Aufgabe von Journalisten, sich als Propheten zu betätigen.

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