Anschlag mit Traktor (endgültig)

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Jerusalem, 2. Juli 2008 – Ein Terroranschlag, wie es ihn in Israel noch nicht gegeben hat: Auf der Jaffa-Street, der Hauptverkehrsader Jerusalems, tauchte am Mittag ein  Bagger erhobener Schaufel auf und raste in entgegenkommende Autos. Einen Citroen-Berlingo Lieferwagen hob er mit seiner Riesenschaufel mehrmals in die Luft und zerdrückte dann den Wagen, ehe er gegen die Fahrtrichtung rasend das nächste Opfer suchte. Er schleifte eine Bushaltestelle, zog einem PKW das Dach ab und ließ das Auto dann über einer Absperrung aus Beton hängen. Ein vollbesetzter Bus der Linie 13 wurde das nächste Opfer seiner Wut. Mit der Schaufel bohrte er sich in die Seite des Busses und legte ihn auf die Seite, während die teilweise schwer verletzten Buspassagiere übereinander purzelten. „Zwei fremde Babies lagen plötzlich in meinen Armen“, jammerte eine Frau im Krankenhaus, wo sie an ihrer verletzten Hand operiert werden muss. „Ich warf mein Motorrad zum Boden und konnte mich so retten“, erzählt Avi, ein Mitarbeiter von Zaka, jener Organisation, die nach Anschlägen die Toten einsammelt. „Ich habe schon viele Anschläge gesehen, war aber nicht selber betroffen, wie dieses Mal.“
Der Baggerfahrer hatte immer noch nicht genug. Der arabische Fahrer eines anderen Jerusalemer Linienbusses sah die Amokfahrt und rief dem Baggerfahrer zu: „Was machst Du da?“ Doch wie der leicht verletzte Busfahrer später erzählte, habe er nur einen „mörderischen Blick des Hasses“ zur Antwort bekommen. Der Busfahrer schaltete schnell und riss seinen Bus auf die Seite. Der Caterpillar-Bagger mit den vier riesigen Gummirädern  rammte nur leicht den Bus und verletzte den Fahrer. Es dauerte, bis die Menschen überhaupt kapierten, was da vor sich ging, dass es sich um einen Terroranschlag handelte und nicht um ein Baufahrzeug, dem die Bremsen durchgegangen waren. Als der Bagger das JCS-Gebäude auf der Jaffastreet passierte, brauchte CNN nur eine Kamera aus dem Fenster halten, um die Amokfahrt zu filmen. Eine Polizistin gab einen einzelnen Schuss auf den Baggerfahrer ab, traf ihn aber nicht. Ein Geheimdienstmann sprang mutig auf den Bagger und gab einen Schuss auf den Fahrer ab. Obwohl verletzt, setzte er die Amokfahrt weiter fort, bis er erneut ein Auto plattgewalzt hatte, in dem eine Frau getötet wurde. Ein 18 Jahre alter Soldat, Mosche Plesser, vor nur zwei Wochen zum Militär eingezogen, riss die Pistole des Geheimdienstmannes an sich, sprang auf den Traktor und tötete schließlich mit mehreren Schüssen den Amokfahrer. Wie sich herausstellte, hatte ausgerechnet sein Schwager im vergangenen März jenen Terroristen aus Dschebel Mukaber gezielt mit Todesschüssen niedergestreckt, der in eine Talmudschule eingedrungen war und schon 8 Schüler ermordet hatte.
Auf der Strecke mit den Trümmern wurden neben dem getöteten Baggerfahrer noch drei tote Israelis geborgen und 57 zum Teil schwer Verletzte in die Krankenhäuser abtransportiert. Schon eine halbe Stunde nach dem Anschlag wusste die Polizei, dass der Täter „einschlägig bekannt“ sei, wegen krimineller Aktivitäten. Er sei ein Palästinenser aus dem Dorf Zur Bacher im Süden Jerusalems, Vater von zwei Kindern und bei der Baufirma angestellt gewesen, die mit Caterpillar-Baggern die Trasse für die neue Straßenbahn lege. „Wahrscheinlich handelt es sich um einen Einzeltäter, der spontan handelte. So etwas kann der beste Geheimdienst nicht vorhersehen und verhindern“, sagte ein hoher Polizeioffizier. Gleichwohl meldete sich die unbekannte palästinensische Organisation „Galiläa-Brigaden“ und übernahm die Verantwortung für den Anschlag.
Während Ministerpräsident Ehud Olmert sich über den Anschlag informieren ließ und alle anderen Aktivitäten kurzfristig absagte, ignorierte ausgerechnet Polizeiminister Avi Dichter die SMS-Anfragen von Journalisten, ob er seine für 12 Uhr Mittags angesagte Pressekonferenz absagen werde. Genau fünf Minuten vorher wurde bekannt, dass da ein Anschlag im Gange sei. Doch Dichter ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Anstatt zum Ort des Geschehens zu eilen und seinen Polizisten beizustehen, war es ihm wichtiger, den Parlamentsjournalisten vorzutragen, dass für ihn, als Mitglied der Kadima-Partei, Ministerpräsident Olmert nicht mehr tragbar sei.
Im Trümmerfeld, als die Tote in ihrem zerquetschten Auto unter dem Traktor noch nicht einmal geborgen war und Sand auf den umgekippten Bus geschüttet wurde, damit das auslaufende Benzin nicht explodiere, tauchte schon Innenminister Eli Ischai von der frommen Schasspartei auf. Mit markigen Sprüchen verlangte er, derartigen Terroristen aus Jerusalem den Ausweis abzunehmen. Überhaupt sollte die Bewegungsfreiheit der Jerusalemer Araber eingeschränkt werden. Die haben zwar nicht die israelische Staatsbürgerschaft aber einen Personalausweis und können sich deshalb frei in ganz Israel bewegen. Ebenso forderte er, die seit Jahren nicht mehr ausgeübte Zerstörung von Terroristenhäusern wieder aufzunehmen. Unter Ariel Scharon wurde diese Bestrafungsmethode eingestellt, weil die Abschreckung nicht wirke und am Ende nur die Angehörigen darunter litten.

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