Kein heiliger Messwein für Weihnachten

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Handelskammerchef Samir Hasboun und ein Schild zu deutsch-palästinensischer Kooperation

Jerusalem, 16. Dezember 2008 – Israelische Soldaten an der Tarqumijeh Straßensperre bei Hebron verhinderten die Auslieferung von weihnachtlichem Messwein aus dem Heiligen Land nach England und Deutschland. Britische Zeitungen empörten sich und übernahmen ungeprüft eine Pressemitteilung der Nicht-regierungs-Organisation Oxfam, die Della Shenton der Organisation „5th Gospel Retreats“ verfasst hatte.
Es geht um Wein aus dem Salesianer-Kloster Cremisan bei Jerusalem. Soldaten hätten Lastwagen des Klosters aus „Sicherheitsgründen“ die Durchreise nach Israel verweigert. So sei der Wein nicht zum Hafen von Haifa und von dort nach England und Deutschland gelangt. Kenner wissen freilich, dass der Wein von Cremisan noch nicht einmal für die Herstellung von Glühwein geeignet ist, weil ziemlich ungenießbar.
Doch in der Oxfam-Pressemitteilungen wird der Wein aus Cremisan wegen seiner Qualität angepriesen, hergestellt mit „klassischen italienischen Methoden“, organisch angebaut, rein und ungepantscht, vom lateinischen Patriarchat empfohlen als Messwein. Einer spanischen Zeitung erzählte der verantwortliche Pater Franco Ronzanni, dass Cremisan bis Ausbruch der Intifada etwa 700.000 Flaschen Wein produziert habe. Heute seien es nur noch knapp 100.000.
Sheldon ist fest von der Richtigkeit ihrer Angaben überzeugt und beklagt die „schlechte Weihnachtsnachricht“ für die britischen Christen. Sie gestand, nur von den Mönchen des Klosters informiert worden zu sein. Doch Pater Franco von Cremisan redete auf Anfrage nur von „technischen Problemen bei der Weinherstellung und kaputten Maschinen“. Er dementierte Probleme an den Straßensperren. Ebenso redete er von guten Kontakten mit den Israelis. Für Sheldon war diese Aussage des Paters kein „Beweis“. Die Mönche hätten Angst vor den Israelis und könnten nicht die Wahrheit sagen.
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Der Checkpoint an Jerusalems „Tunnelstraße“
eigentlich für Warenverkehr nicht geöffnet Durch den aber 12.000 Flaschen Cremisanwein transportiert wurden
Die nächste Anlaufstelle zur Aufklärung des Mysteriums um den ungenießbaren Cremisan-Wein waren die verantwortlichen israelischen Stellen. Ein hoher Militär, verantwortlich für die Beziehungen zwischen der israelischen „Zivilverwaltung“ und der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland, kannte den Vorfall. Er bot eine völlig andere Version. Das Cremisan-Kloster liege direkt an der Grenze zwischen dem von Israel 1967 erweiterten und annektierten Stadtgebiet Jerusalems, sowie dem palästinensisch verwalteten Bethlehem. Auf dem Klostergelände soll die berüchtigte Sperrmauer hochgezogen werden. Offen ist, ob die Klosterschule künftig unzugänglich für die palästinensischen Kinder aus Bethlehem werde, oder aber ob die Mönche, die als Lehrer dienen, von ihrer Schule ausgesperrt bleiben.
Nach Angaben jenes Offiziers helfe Israel vor Allem Christen in der Gegend von Bethlehem. Jeden Morgen gegen elf Uhr sammeln sich mit Jerusalem-Stein beladene Lastwagen vor dem „Tunnel-Straße“ Checkpoint vor Jerusalem und würden dann durch gewunken. Der sogenannte „Jerusalem-Stein“ wird in Bethlehem geschnitten, geschliffen und behauen. Er ist neben dem Tourismus die wichtigste Einkommensquelle der Geburtsstadt Jesu. Die Steinindustrie funktionierte auch in den schlimmsten Zeiten der Intifada dank einer israelischen Politik der „offenen Tür“ für diesen Wirtschaftszweig. Wegen eines alten britischen Gesetzes müssen alle Häuserfassaden in Jerusalem wie in Jordaniens Hauptstadt Amman mit dem goldbraunen Stein verkleidet werden.
„Wir lassen nur mit Steinen beladene Lastwagen durch, sonst absolut nichts“, sagte der für die Übergänge verantwortliche israelische Offizier. Sein Vorgesetzter verriet jedoch im Privatgespräch, vor einigen Wochen persönlich die Genehmigung für die Durchfahrt von zwei Kleinlastern mit 12.000 Flaschen erteilt zu haben. Weil Cremisan auf „israelischem“ Gebiet liege, gelten nicht die Beschränkungen für palästinensische Produkte. Der Wein sei „made in Israel“.
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Im Hintergrund eine Bethlehemer
Steinfabrik. Diese Fabrik hat direkten Zugang zum Checkpoint
Dieser Darstellung widersprach Samir Hasboun, Leiter der Bethlehemer Handelskammer, selber ein Christ mit vorzüglichen Kontakten zu den Israelis. Cremisan gehöre zu den palästinensischen Gebieten. Der Wein-Export laufe über seine Handelskammer „wegen des vorgeschriebenen Urprungsland-Zertifikats „made in Palestine“. Hasboun erzählte, dass der Cremisan-Wein schlechte Qualität habe. Deshalb habe die Handelskammer 15 Mitarbeiter des klösterlichen Weinkellers zur Fortbildung nach Italien geschickt. Dort sollten sie auch neue Maschinen für Cremisan besorgen. Das Kloster exportiere nur kleine Mengen. „Dann koordinieren wir mit den israelischen Militärbehörden die Passage durch die Sperren.“ Zu dem angeblichen Vorfall um den Messwein sagte Hasboun nichts, wusste aber von Problemen beim Export des seit 350 Jahren in Bethlehem gebrauten Anis-Schnaps. „Für die Palästinenser ist das Alkohol, für die Israelis ist der Schnaps nicht koscher.“
Ob die Briten und Deutschen den Cremisan-Wein rechtzeitig zu Weihnachten erhielten oder auf den „Genuss“ verzichten mussten, ließ sich anhand der Widersprüche aller Beteiligten nicht ermitteln. Offen bleibt auch, ob das Kloster „technische Probleme“ hatte, oder ob das israelische Militär die Durchfahrt blockiert habe.

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