Mahdismus und das iranische Atomprogramm

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Mahdismus und das iranische Atomprogramm

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 

Bei einem Besuch in Isfahan hat sich der iranische Präsident Ahmadinejad zu seinen messianischen Vorstellungen, seiner Feindschaft gegenüber dem Westen und dem iranischen Atomprogramm geäußert. Indessen geht die massive Unterdrückung der zivilgesellschaftlichen Bewegung weiter.

Vorweg: Die Urananreicherung und das Atomprogramm dienen nach dem Verständnis von Präsident Ahmadinejad und seinem Mentor Ayatollah Mesbahe Yazdi der Beschleunigung der Rückkehr des in der Mitte des 10. Jahrhunderts verschwundenen zwölften Imam der schiitischen Muslime. Der zwölfte Imam, Mahdi, ist theologisch eine messianische Gestalt wie sie in allen monotheistischen Weltreligionen vorkommt und deren Rückkehr erwartet wird. In der khomeinistischen Interpretation des Islam muss der Klerus solange herrschen bis der Messias erschienen ist. Und in der Interpretation von Ayatollah Mesbahe Yazdi, un-geistiger Mentor des Präsidenten Ahmadinejad, kann dieser Prozess beschleunigt werden. In einer Schlacht gegen die ungläubige Welt soll dann die Islamisierung der Welt erfolgen.

Ahmadinejad legitimiert das iranische Atomprogramm vor dem Hintergrund einer solchen schiitischen Mythologie: Deswegen verfolgen die khomeinistischen Machthaber im Iran nicht nur das Ziel der totalen Kontrolle über die eigene Gesellschaft, sondern gleichzeitig das ideologische Ziel der Islamisierung der Welt. Denn nach der schiitischen Vorstellung tritt Frieden nur unter islamischer Herrschaft ein.
Vor diesem Hintergrund glaubt Ahmadinejad tatsächlich, dass die US-amerikanische Regierung die Rückkehr eines 12. Imam verhindern will, denn sie befürwortet ja keine islamische Herrschaft, sondern verfolgt die Durchsetzung menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Normen . Gegen eine solche demokratische Perspektive sind alle Islamisten, ob Anhänger von Ahmadinejad oder Anhänger des nicht mehr regierenden Ex-Präsidenten Khatami. Denn die islamistische Perspektive ist die Durchsetzung einer reinen islamischen Herrschaft, die auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden kann.
Anhänger aller Schattierungen des Khomeinismus verfechten eine „göttliche Gerechtigkeit“, die nur mit der Durchsetzung der anachronistischen islamischen Strafgesetzgebung mit staatlichen Mitteln erreicht werden kann.
Daher ist auch der antiimperialistische Kampf gegen die USA, an der Spitze der gesamten westlichen Welt nur unter der Fahne des Ayatollah Khomeini und des 12. Imam möglich.
Ayatollah Mesbahe Yazdi und Präsident Ahmadinejad gehen vom festen Glauben aus, dass die Welt sich in dieser messianischen Phase befindet. Dies ist die schiitische Variante eines apokalyptischen Denkens, das die paramilitärischen Unterdrückungsorgane der Bassiji und der Revolutionsgardisten nicht als Instrumente einer totalitären Herrschaft, sondern als „heilige Institutionen“ versteht.
Daher ist die „mahdistische Gesellschaft“, von der Präsident Ahmadinejad spricht, die totalitäre „Utopie“ aller schiitischen Islamisten.

„Die Idioten“, die Waffen an den Iran verkauft haben

Der iranische Präsident Dr. Mahmoud Ahmadinejad äußert seine Paranoia selten so deutlich, wie Anfang Dezember in Isfahan. Am 4.12.2009 sagte er: „Wir verfügen über Dokumente, die belegen, dass Amerika die Rückkehr des zwölften Imam verhindern will.“
Ahmadinejad meint, dass Ex-Präsident Reagan und sein damaliger Außenminister vorhatten den „Namen des Iran von der geographischen Landkarte zu löschen.“ Dabei haben sie dem Iran Waffen verkauft.

Ahmadinejad bezeichnete den verstorbenen Ex-US-Präsidenten Ronald Reagan und seinen damaligen Außenminister George Schultz als „Idioten“. Die Nachrichtenagentur Tabnak berichtete aber nicht, warum Ahmadinejad ausgerechnet Reagan und Schultz, die tatsächlich für die Waffenverhandlungen mit dem Iran im Rahmen der Iran-Contra-Affäre verantwortlich sind, als „Idioten“ beschimpfte.

Zur Vorgeschichte: Die USA lieferten Anfang der 80er Jahre Waffen in den Iran im Austausch gegen US-amerikanische Bürger, die im Iran verhaftet und als Geiseln festgehalten wurden. Die Reagan-Regierung finanzierte aus dem Waffengeschäft in der Iran-Contra-Affäre die rechtsgerichteten Contras in Nicaragua, ein politischer Skandal, der in die Geschichte einging.

Heute werden genau diejenigen verantwortlichen US-Politiker von Ahmadinejad als „Idioten“ bezeichnet, die Waffen an den Iran verkauft haben.

Tatsächlich ist Ahmadinejad der festen Überzeugung, dass der „Westen und der Osten Iran vernichten wollen“, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tabnak.

Dabei geht Ahmadinejad davon aus, dass der „wichtigste Teil der Welt der Mittlere Osten ist und das wichtigste Land im Mittleren Osten der Iran ist.“
Der iranische Präsident ging auch auf Israel ein und sagte, dass sogar die „sieben Ahnen des zionistischen Regimes“ keinen Krieg gegen den Iran wagen würden.

Die Amerikaner wollen die Wiederkehr des verschwundenen Imam verhindern

Laut Tabnak sagte der iranische Präsident, dass die „Arroganten hinter Öl und Reichtümer dieser Welt“ her seien. Er kritisierte aber nicht nur die Präsenz der amerikanischen Truppen in Afghanistan. Präsident Ahmadinejad behauptet beweisen zu können, dass die Amerikaner mit der Propagierung einer schon erschienenen Offenbarung in Wirklichkeit die „Wiederkehr des Imam“ verhindern wollen.

„Die Vierbeinigen“ im afghanischen Schlamm

Der Iran sei von „Feinden“ militärisch umzingelt, beklagt Dr. Ahmadinejad. „Sie haben den Plan Iran zu zerstören,“ sagte er. Dabei seien die Amerikaner in Afghanistan wie „Vierbeinige im Schlamm versunken.“

Ahmadinejad sagte, dass die westlichen Staaten heute versuchen würden das iranische Regime zu stürzen. Aber die „absolute Herrschaft des Klerus“ (Vilayate Faqih) in der Nachfolge der Herrschaft der schiitischen Imame werde immer siegen.

Apokalyptisch-virulente Visionen und das Atomprogramm

Der iranische Präsident Ahmadinejad lehnt die Entscheidungen des Gouverneursrates der IAEA entschieden ab. Er ist der festen Überzeugung, dass Institutionen wie die IAEA nicht „gerecht und logisch handeln, weil sie unter Druck von scheinbar mächtigen Staaten handeln, die zum Untergang verurteilt sind und gegen uns Resolutionen verabschieden.“

Ahmadinejad sagte in Isfahan, dass die westlichen Staaten glauben würden, dass alle Menschen ihnen gehorchen werden. Er beschrieb die Rolle der IAEA wie folgt: „Solche Organisationen stehen unter der Kontrolle einiger verfaulender Staaten und sie handeln absolut nicht legal.“ Er betonte, dass das „Thema des Atomprogramms von unserer Seite abgeschlossen ist.“

Im Bezug auf die Urananreicherung sagte er: „Wenn ihr uns keinen Brennstoff liefert, dann werden wir mit Hilfe Gottes zwanzigprozentiges Uran und alles was wir brauchen, anreichern. Sie führen einen psychologischen Krieg und behaupten, dass es einen Krieg gegen uns geben wird. Es ist alles ein Propagandaspiel. Einige von ihnen haben bei meinen vergangenen Reisen nach New York gesagt, dass das zionistische Regime sehr erzürnt ist und dass sie vielleicht etwas gegen uns unternehmen werden“, plauderte der iranische Präsident. Er setzte fort: „Aber ich habe ihnen geantwortet, dass das zionistische Regime ein Nichts ist und sogar ihre Herren können nichts gegen uns unternehmen.“

Ahmadinejad sagte im Hinblick auf die Politik der Obama-Administration: „Er (Obama) sagte, er wolle prinzipielle Änderungen vornehmen und wir haben dies begrüßt und haben ihn mit folgenden Worten aufgefordert etwas zu unternehmen: Bismillah, im Namen Gottes, tut etwas. Ich habe ihm (Obama) gesagt, wenn ihr prinzipielle Änderungen haben wollt, dann führt Veränderungen durch. Beendet endlich die Politik der Gewalt, der Aggression, der Gesetzlosigkeit, der Diskriminierung, der militärischen Besetzung des Mittleren Ostens und beendet die Unterstützung der zionistischen Mörder. Liebt die Völker dieser Welt. Und wir haben uns bemüht, dass Änderungen stattfinden. Aber wir machen uns jetzt Sorgen. Die (Amerikaner) gehen nicht positiv voran.“

Der iranische Präsident meint besorgt zu sein, dass die „Zionisten“ den US-Präsidenten Obama lenken könnten, so wie Ex-Präsident Bush beeinflusst worden sei. Ahmadinejad hebt hervor, er habe Präsident Bush einen Brief geschrieben, in dem er Bush empfohlen habe als Christ auch wie ein Christ zu handeln. Bush habe aber auf die heiligen Zitate, die Präsident Ahmadinejad, dem amerikanischen Präsidenten geschrieben habe, nicht gehört.
Präsident Ahmadinejad bezeichnete den Ex-Präsidenten Bush als den am „meisten verabscheuungswürdigen amerikanischen Präsidenten“ und wünschte Präsident Obama nicht dasselbe Schicksal wie seinem Vorgänger.

Präsident Ahmadinejad behauptete schon vor einem Jahr die Existenz einer kürzlich erst entdeckten Anlage gemeldet zu haben und sagte: „Wer hat Euch überhaupt erlaubt in unserem Land Spionage zu betreiben?“ Ahmadinejad warf dem Westen eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran vor.

Ahmadinejad will die Welt verwalten

Tabnak berichtete über zwei „Regierungsaufgaben“, die Ahmadinejad in Isfahan verkündete: Aufbau des Iran und der „Beginn der Verwaltung der Welt.“ Der iranische Präsident fügte hinzu: „Wir dürfen nicht erlauben, dass diejenigen, die die Welt 400 Jahre lang beherrscht haben, weiterhin ihre Arroganz der Welt aufbürden.“ Ahmadinejad glaubt, dass der Faktor „Kultur“ ihn und die „Islamische Republik Iran“ besonders prädestinierten die Welt zu verwalten und sagte daher: „Wir wollen die Wirtschaft und die Politik der Welt in Ordnung bringen. Aber wir haben nur eine begrenzte Zeit.“ In dem Zusammenhang bezeichnete er die westlichen Gesellschaften als „kulturlos“. Als Beweis für die Kulturlosigkeit des Westens erwähnte der iranische Präsident die „Beleidigungungen der muslimischen Heiligtümer und die Verhinderung von Moscheen und Minaretten.“

Ahmadinejad und die „Kulturarbeit“

Der iranische Präsident glaubt, dass „manche Mächte sich in allen Dimensionen in der Krise befinden.“ Die wirtschaftliche Macht Amerikas und der westlichen Welt befänden sich im Untergang. Lateinamerika sei aber auf dem Weg zum Monotheismus. Deswegen müsse die Islamische Republik sich Gedanken machen, wie Iran die Welt verwalten könnte. Er sagte: „Wir müssen uns bemühen mit einer neuen Form der Machtausübung die Welt zu verwalten.“ Er betonte, dass der Iran auch mit Hilfe von „Kulturarbeit“ dieses Ziel der Verwaltung und Führung der Welt erreichen muss.
Abschließend soll hier ein Beispiel für die „Kulturarbeit“ der islamistischen Herrschaft im Iran geliefert werden: Die in Deutschland lebende Parastou Foruhar ist auch in diesem Jahr in den Iran gereist, um den Jahrestag der Hinrichtung ihrer Eltern gemeinsam mit ihren Angehörigen zu begehen. Als sie Iran Richtung Frankfurt verlassen wollte, wurde ihr der Reisepass im Teheraner Flughafen weggenommen und sie wurde inhaftiert. Parastou Foruhar ist eine der renommiertesten Exil-Künstlerinnen des Iran. Vielleicht wird sie vor Gericht verurteilt. Die Welt der Politik schweigt zu diesem Einzelfall und zu den massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran. Die europäische Politik sollte endlich erkennen, dass die „Islamische Republik Iran“ nicht reformierbar ist und Menschenrechtsforderungen zur Grundlage ihrer Außenpolitik gegenüber dem Iran machen.

 


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