„Der sanfte Krieg“ im Iran

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„Der sanfte Krieg“ im Iran

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE 

 

Der schiitische Staatsklerus stabilisiert militärisch seine totalitäre Macht.Wie der Diktator Khomeini nach der islamischen Revolution von 1979 auch schiitische Kleriker verfolgen ließ, werden heute reformwillige Kleriker und ihre Technokraten als Feinde der „absoluten Herrschaft des Klerus“ deklariert. Es wird Zeit, dass europäische Regierungen ihre Diplomaten aus dem Iran abziehen.

Hojatoleslam Nasser Saqaye Biria, ein Berater des iranischen Präsidenten Ahmadinejad sprach laut der staatlichen Nachrichtenagentur des Iran (IRNA) am 28.12.2009 von einem
„sanften Krieg“.

Tatsächlich führt das khomeinistische Regime einen Krieg gegen das eigene Volk.
Zwar fordert Mir Hussein Moussawi eine Wiederherstellung der Verhältnisse, wie unter der Regierungszeit Khatamis, in dem er die Freiheit der reformislamistischen Zeitungen und Organisationen im Rahmen der Verfassung der totalitären
Diktatur fordert.

Ein Gros der Iraner ist aber offenbar entschlossen die totalitäre Diktatur der „Islamischen Republik Iran“, die 1979 von Ayatollah Khomeini gegründet worden ist, abzuschaffen.

Hojatoleslam Pur Mohammadi, der denselben religiösen Rang wie Ex-Präsident Khatami hat, meinte am 31.12.2009, dass „der Feind die Säulen des Systems zur Zielscheibe gemacht“ habe.

Der Groß-Ayatollah Nuri Hamedani forderte am selben Tag eine „Kultur des Jihad“. Die Regierung müsse
islamisch bleiben.

Der einflussreiche Staatskleriker glaubt, dass die Vertreter des Yazid – die Verkörperung des Bösen im schiitischen Islam – heute noch wirken und hinter den Demonstrationen stehen. Zur Erklärung: Der Aschura-Tag ist eine der wichtigsten religiösen Zeremonien im schiitischen Islam. Im Oktober des Jahres 680 christlicher Rechnung wurde der Enkel des islamischen Propheten Mohammad , der Imam Hussein hieß, von dem sunnitischen Kalifen Yazid in der Schlacht von Karbala getötet. Er ist die wichtigste Symbolfigur in der Schia, die für Gerechtigkeit steht und den „Märtyrertod“ starb. Sowohl Vertreter der khomeinistischen Diktatur als auch ihre schiitischen Rivalen beziehen sich auf den Märtyrertod von Imam Hussein und bezeichnen ihre Feinde als Yazid.

Und der Groß-Ayatollah Makerem Schirazi bedankte sich nach der Zerschlagung der Demonstrationen von 27.12.2009 bei der Polizei für die Vorgehensweise der khomeinistischen Polizei.

Es gab in den letzten Tagen eine konzertierte Aktion des iranischen Staatsklerus:

Groß-Ayatollah Sanjani glaubt in paranoider Form, dass die „Feinde den Islam zerstören wollen.“

Ayatollah Larijani warnte, dass die Schaffung von Unordnung ein
Verbrechen sei.

Und das iranische Geheimdienstministerium veröffentlichte konsequent eine Erklärung in großen iranischen Agenturen. Darin warnt das berüchtigte Geheimdienstministerium diejenigen, die von den „Feinden verführt worden seien.“

Gleichzeitig werden auf staatlichen Internetforen Photos von Demonstranten gezeigt, die von der Bevölkerung identifiziert werden sollen.

Tatsächlich gibt es immer wieder Stimmen im iranischen Fernsehen und in den iranischen Zeitungen, die die Baha’i als Drahtzieher der Proteste verantwortlich machen.
Damit wächst die Gefahr, dass die verhafteten sieben führenden Koordinatoren der iranischen Baha’i Gemeinde zum Tode verurteilt werden. Am 12.1.2010 ist die Urteilsverkündung anvisiert.
Fakt ist: Denunziantentum und staatliche Gewaltexzesse gehören zur herrschenden Kultur im schiitischen Gottesstaat.

David gegen Goliath oder wer ist der Yazid, der böse Feind

Wenn die totalitären Machthaber noch nicht an den Präsidentschaftskandidaten Moussawi herankommen, bringt der Geheimdienst dessen Bruder um. Wenn sie die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi nicht verhaften können, verhaften sie ihre unschuldige Schwester, die unpolitische Professorin der Medizin Dr. Nushin Ebadi.
Um die Massen einzuschüchtern und die eigene Entschlossenheit zu demonstrieren, wird auf Demonstranten geschossen, die inzwischen ebenfalls Gewalt anwenden, – Gewalt von David gegen Goliath.

Vor dreißig Jahren instrumentalisierte der große Diktator Ayatollah Khomeini den Islam und die religiösen Gefühle der Muslime, um gegen die Yazids von heute vorzugehen. Seine Propaganda wurde stets im Namen des Kampfes gegen den Yazid geführt.

Das religionspolitische Chaos wird perfekt, wenn Anhänger von Mir Hussein Moussawi, selbst Ministerpräisent unter Khomeini, heute im Namen von Imam Hussein gegen die khomeinistischen Machthaber auf die Straßen gehen und dafür einen hohen Preis zahlen: Mindestens 800 Verhaftete und mindestens 37 Tote berichten Exilgruppen.

Die politische Instrumentalisierung der Religion wird sichtbarer denn je.

Khomeinistische Schlägertrupps in Berlin

Das khomeinistische Regime unterdrückt nicht nur das eigene Volk im Iran, sondern bespitzelt und schüchtert auch Exilanten ein. In Berlin schlugen khomeinistische Schlägertruppen sogar friedlich protestierende Studenten zusammen:
Am 27.12.2009 nahmen iranische Studenten, rund 15 Männer und Frauen, die alle religiösen Kleidervorschriften beachtet hatten, an einer öffentlichen Veranstaltung der iranischen Botschaft zum Andenken an den Aschura-Tag teil. Sie trugen alle grüne Schals und haben mit friedlichen Parolen an die brutale Zerschlagung der Proteste in Iran erinnert. Was dann geschah, erinnert nach Augenzeugenberichten fast an die Jubelperser, die 1968 gegen den Schah demonstrierten. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied zu 1968. Am 27.12.2009, am Ashura-Tag, hatten die iranischen Demonstranten die deutsche Polizei informiert, dass sie an dieser öffentlichen Veranstaltung teilnehmen wollen.
Mitten in Berlin griffen aber khomeinistische Schlägertruppen die friedlichen iranischen Studenten an und schlugen brutal auf sie ein.

Die Strategie der totalitären Macht nach außen und nach innen

Nach 30 Jahren khomeinistischer Diktatur fordert ein Gros der iranischen Bevölkerung die Überwindung der islamisch sich legitimierenden totalitären Diktatur des Khomeinismus. Das Regime fährt gegenwärtig eine Doppelstrategie: Nach innen wird das eigene Volk unterdrückt und nach außen wird die Politik der konsequenten Unnachgiebigkeit im Hinblick auf das Urananreicherungsprogramm fortgesetzt.
Die Atombombe könnte am Tage X als eine diplomatische Waffe gegen den Westen eingesetzt werden, um die eigene Verhandlungsbasis zu verbessern, aber auch dem eigenen Volk gegenüber unnachgiebige Macht zu demonstrieren.

Die religiöse Legitimitätskrise der absoluten Herrschaft des Klerus

Als nach der islamischen Revolution von 1979 die gesamte säkulare Opposition des Iran eliminiert worden ist, geschah dies im Namen des Islam. Der Diktator Ayatollah Khomeini konnte dennoch kraft seiner totalitären politischen Religion des Khomeinismus die Massen im Namen der absoluten Herrschaft des Klerus vereinheitlichen. Seine Losung war der Staatsklerus müsse herrschen bis der verschwundene zwölfte Imam, eine Art messianische Figur, wieder erscheint. Präsident Ahmadinejad will den Prozess beschleunigen, notfalls gegen die ganze westliche Welt und gegen das eigene Volk.

Das Parlament der Religionen und der Vertreter des Iran

Anwar Ibrahim, ehemaliger stellvertretender malaysischer Ministerpräsident (1993-1998) versteht sich als die muslimische Stimme für Demokratie. Tatsächlich gehört der malaysische Oppositionsführer zu den scharfen Kritikern der islamischen Welt. Er meldete sich im Dezember im Parlament der Weltreligionen zu Wort. Dort forderte er die Muslime auf zunächst Ungerechtigkeit und Korruption in ihren eigenen Gesellschaften abzuschaffen, bevor sie den Westen kritisierten. In seiner Rede auf der diesjährigen Konferenz des „Parlaments der Religionen“ sprach er von einer „exzessiven Misshandlung der
Minderheiten im Islam.“

Anwar Ibrahim verurteilte die „scheußliche“ Behandlung der Minderheiten in muslimischen Gesellschaften.
Als Mahdi Mostafawi, der iranische Vertreter im „Parlament der Religionen“ sich zu Wort meldete und von „göttlichen Gesetzen“ sprach, widersprach ihm Rachel Woodlock, ein Muslim aus Melbourne. Mostafawi sei „keineswegs glaubwürdig“.
Im „Parlament der Religionen“ gibt es offenbar berechtigte Kritik an islamischen Gesellschaften, aber der wahre Charakter des neuen Totalitarismus im Iran scheint auch dort nicht erkannt zu werden.

Europäische Regierungen sollten ihre Botschafter aus dem Iran abberufen

Genauso wie Bürgerrechte den ethisch-kulturellen Grundkonsens in modernen Demokratien darstellen, müssen sich die westlichen Demokratien nicht allein ihren kapitalistischen Interessen, sondern den universellen Menschenrechten als einer ethischen Grundlage ihrer Außenpolitik verpflichtet fühlen.
Nachdem das Berliner Kammergericht einen staatsterroristischen Akt der Teheraner Führung hinter den Morden an vier iranisch-kurdischen Oppositionellen im September 1992 ausgemacht hatte, wurden die Botschafter von 14 europäischen Staaten abberufen. Damals machte sich der iranische Außenminister Velayati, der selbst für diesen Staatsterrorismus verantwortlich war, über den Abzug des deutschen Botschafters Horst Bächmann lustig. Velayati sagte damals, dass die Iraner „nicht traurig wären, wenn der deutsche Diplomat nicht zurückkehren würde“.
Schließlich siegte nicht die Ethik der Menschenrechte in der europäischen Außenpolitik, sondern das Marktinteresse. Nach kurzer Zeit kehrten alle europäischen Botschafter in den Iran zurück.
Ist es nicht höchste Zeit, dass die europäischen Staaten ihre Botschafter aus dem Iran abziehen, um der khomeinistischen Diktatur ein deutliches Signal zu geben, dass im 21. Jahrhundert die Welt einer Wiederholung von massiven staatlichen Verbrechen nicht tatenlos zuschauen wird?

 

 


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