Rabin war „kurz davor Oslo zu beenden“

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David M. Weinberg, Israel HaYom, 18. Oktober 2013

Der 18. Jahrestag der tragischen Ermordung von Premierminister Yitzhak Rabin wurde diese Woche mit dem üblichen Händeschütteln und Lobgesängen auf den diplomatischen Oslo-Prozess, den Rabin in Angriff genommen hatte. Oslo-Vaterfigur Präsident Shimon Peres nutzte die Gelegenheit dazu zu proklamieren, dass „der einzige Weg zum Frieden die Zweistaaten-Lösung ist. Das ist Yitzhaks zwangsläufiges und ultimatives Erbe.“

Ich frage mich aber, ob das stimmt.

Wie die Mehrheit der Israelis heute und damals war Rabin bereit Risiken einzugehen und dem Friedensprozess eine Chance zu geben. Doch er gegenüber seinen palästinensischen Partnern argwöhnisch, skeptisch was den Ausgang anging, sehr misstrauisch gegenüber einem vollwertigen Palästinenserstaat und bestand darauf für Israel Grenzen zu erhalten, die es verteidigen kann.

Fakt ist: Rabin dürfte kurz davor gestanden haben den Oslo-Prozess zu widerrufen, gibt seine Tochter Dalia an. Vor drei Jahren sage sie der israelischen Zeitung Yediot Ahronoth (1. Oktober 2010, auf Englisch zusammengefasst am 14. Oktober 2010): „Viele Menschen, die meinem Vater nahe standen, sagten mir, dass er am Vorabend seiner Ermordung darüber nachdachte den Oslo-Prozess zu beenden – wegen des Terrors, der auf den Straßen um sich griff und weil der das Gefühl hatte, dass Yassir Arafat seine Versprechen nicht erfüllte. Vater war immerhin kein Blinder, der ohne nachzudenken vorwärts rennt. Ich schließe die Möglichkeit nicht aus, dass er über eine Kehrtwende nachdachte, unsererseits das ganze umzudrehen. Immerhin war er jemand, für den die nationale Sicherheit des Staates sakrosankt war und über allem stand.“

In seinem Buch „The Long Short Way“ (Der lange kurze Weg, Yediot Ahronoth Press 2008 auf Hebräisch) schrieb der heutige Verteidigungsminister Mosche Ya’alon (damals Chef des Militärgeheimdienstes), dass Rabin ihm ein paar Wochen vor seiner Ermordung sagte, nach den nächsten Wahlen werde er (Rabin) „die Dinge mit dem Oslo-Prozess reinen Tisch machen, weil Arafat nicht länger vertraut werden konnte“. Und das war vor der mörderischen zweiten palästinensischen Intifada.

Professor Efraim Inbar, Direktor des Begin-Sadat Center for Strategic Studies, vermutete so ziemlich dasselbe in seinem preisgekrönten Buch „Yitzhak Rabin und Israels nationale Sicherheit“ (Washington, Woodrow Wilson Center Press und Johns Hopkins University Press, 1999, S. 149-165): „Ende 1994 war Rabin sehr pessimistisch, was Arafats Leistungen anging … Er sagte der Knesset am 3. Oktober 1994, dass (Arafats) ‚Ergebnisse bisher weit entfernt von zufriedenstellend waren – um eine Untertreibung zu benutzen‘ … Rabins Enttäuschung mit der Politik, die nicht von ihm initiiert wurde, für die er aber letztlich verantwortlich war, wurden im Lauf der Zeit immer offensichtlicher und spiegelten die argwöhnische Stimmung der Öffentlichkeit gegenüber dem Friedensprozess… Er schloss die Möglichkeit nicht aus, dass die Oslo-Vereinbarungen nicht zu einer Aussöhnung führen könnten. Er war nicht sicher, dass eine Vereinbarung zu Endstatus-Fragen mit den Palästinensern nicht erreicht werden könnte …. Doch er war in der Dynamik eines Prozesses gefangen, den er nicht länger voll unter Kontrolle hatte … Rabin schrieb 1979: ‚Es gibt in mir keinerlei Zweifel, dass die Risiken eines Friedens bei weitem den düsteren Gewissheiten vorzuziehen sind, die jede Nation im Krieg erwarten.‘ Doch selbst wenn viele in seiner Umgebung ihn feierten und vor Optimismus platzten, blieb er der ewige Skeptiker und Pessimist. Nur selten vermittelte er Enthusiasmus und Hochgefühl zu seinem politischen Weg.“

„In der Mehrzahl der Fälle“, fährt Inbar fort, „gab Rabin seinen Zweifeln Ausdruck, seinen Bedenken zu einer ungewissen Zukunft. Er nahm eine verbesserte strategische Umgebung wahr, die weniger Aussichten auf existenzielle Gefahren beinhaltete, aber er wusste, dass solche militärischen Herausforderungen weiter existierten. Er war im seinem Glauben ungerührt, dass ein bewaffneter Friede das Beste war, auf das sich Israel in der nahen Zukunft Hoffnung machen konnte.“

In einem Interview in der Jerusalem Post vom 24. September 1995 – eineinhalb Monate vor seiner Ermordung – sagte Rabin, dass Israel für mindestens die nächsten 30 Jahre seine militärische Stärke beibehalten müsste und das Verteidigungsbudget nicht kürzen dürfe.

Inbar erinnert sich, dass Rabin einmal sagte ein Palästinenserstaat würde ein „Krebsgeschwür“ im Nahen Osten sein und dass Rabin oft Jordanien als dem verantwortlicheren Partner für die langfristige Sicherung der östlichen Grenze Israels den Vorzug gab.

In seiner berühmten letzten Rede vor der Knesset (am 5. Oktober 1995), einen Monat vor seiner Ermordung, distanzierte sich Rabin ausdrücklich von palästinensischer Eigenstaatlichkeit. „Wir betrachten eine permanente Lösung als eine palästinensische Einheit, die weniger ist als ein Staat“, sagte Rabin demonstrativ.

Rabin wies dann die Vorstellung eines Rückzugs auf alles, was den Linien von 1967 nahe kam und verwarf jeden Gedanken Jerusalem zu teilen: „Wir werden nicht zu den Linien vom 4. Juni 1967 zurückkehren. Die Sicherheitsgrenze des Staates Israel wird sich im Jordantal befinden, in der weitesten Bedeutung dieses Begriffs.“ (Rabin wollte die östlichen Abhänge der Westbank-Hügel, einem 400m hohen topografischen Barriere-Kamm.)

„Die Verantwortung für die äußere Sicherheit entlang der Grenzen mit Ägypten und Jordanien sowie die Kontrolle über den Luftraum über allen Gebieten und der maritimen Zone des Gazastreifens wird in unserer Hand bleiben“, betonte er.

Rabin schloss auch aus Siedlungen zu beseitigen, bevor eine komplette Friedensvereinbarung mit den Palästinensern erreicht wird: „Wir haben uns vor der Knesset verpflichtet keine einzige Siedlung im Rahmen der Interimsvereinbarung zu entfernen und den Bau für natürliches Wachstum nicht zu verhindern … Und in erster Linie betreffen unsere Anliegen ein vereintes Jerusalem als Hauptstadt Israels, unter israelischer Souveränität.“

Es ist also durchaus möglich, dass der fortgesetzte Drang einen Palästinenserstaat in den heute von der internationalen Gemeinschaft und der israelischen Linken vorgestellten bombastischen Konturen mit den boshaften palästinensischen Führern, die wir heute haben, überhaupt nicht Rabins wahres Erbe ist. Fakt ist: Der Gebrauch von Rabins Namen zur Unterstützung voran galoppierenden Pro-Palästinenserstaat-Friedensprozesses ist linker historischer Revisionismus.

Es ist eher wahrscheinlich, dass Rabins wahres Erbe die Entschlossenheit ist, für Frieden innerhalb sicherer, zu verteidigender und historisch gerechter Grenzen für Israel ist, ohne Illusionen.

Es ist diese weniger abstruse und dafür gewissenhaftere Anerkennung des Erbes Yitzhak Rabins, an das diese Woche erinnert und das geehrt werden sollte.

Und es sollte sicherlich vermerkt werden – vielleicht mit einem Schuss Ironie – dass der heutige Benjamin Netanyahu eine ganze Menge nach dem Yitzhak Rabin der frühen 1990-er Jahre klingt. Der Shimon Peres von heute, der fröhlich der palästinensischen Eigenstaatlichkeit Applaus spendet, als habe Oslo keinen bitteren Nachgeschmack, hört sich jedenfalls nicht so an.

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