Israels Vormarsch in den Gazastreifen

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Jerusalem, 4. Januar 2009 – Diesmal zeigt die militärische Pressezensur ihre Zähne. Gegen den Korrespondenten des iranischen Fernsehens wurde Haftbefehl erlassen. Die Polizei fahndet nach ihm. Ohne seine Berichte der Zensur vorzulegen, habe er von Truppenbewegungen nach Teheran berichtet, als der heimliche Einmarsch der Truppen nach Sonnenuntergang noch gar nicht öffentlich gemacht werden durfte. Am Samstag Nachmittag hatte erstmals die Artillerie das offene Gelände vor Beth Hanoun und Beth Lahija mit schwerem Trommelfeuer beackert. Während Lasergesteuerte Flugbomben bis auf einen Meter genau ihre Ziele treffen können, haben Granaten von Kanonen einen Zerstörungsradius von über hundert Metern. Und die Splitter können in einem noch größeren Radius alles Leben auslöschen.
Der Artilleriebeschuss, so die Aussage israelischer Militärexperten, sollte Minen, Sprengfallen und vergrabene Bomben zur Explosion bringen. Mit denen wollte die Hamas nach eigenen Angaben den einmarschierenden israelischen Truppen so manche „Überraschung“ bereiten. Gleichzeitig suchten Offiziere jeden einzelnen Soldaten in dem zum militärischen Sperrgebiet erklärten Aufmarschgelände rund um den Gazastreifen auf und sammelten alle Handys ein. Diesmal sollte es keine Anrufe wie „Mama, mir geht es gut, wir sind gerade im Dorf xyz angekommen“ geben, wie während des Libanonkrieges. Damals hatten Soldaten mit ihren Telefonen sogar gefilmt, fotografiert und Journalisten über den Kampfhergang informiert. Die israelische Armee glaubt, dass die Hamas die Fähigkeit habe, sogar Telefongespräche der „Dritten Generation“ abzuhören.
Das erste Eindringen geschah im Dunkel der Nacht, weil die Soldaten dank ihrer Nachtsichtgeräte den Kämpfern der Hamas überlegen seien. So erlitten die Israelis in der ersten Nacht im Gazastreifen zwar 30 Verletzte aber keine Tote, während es bei den ersten Kämpfen mindestens 9 Tote auf der palästinensischen Seite gegeben habe.
Einen ersten Volltreffer landeten die israelischen Truppen auf ein Kochgasdepot im Norden des Gazastreifens. Obgleich es geheißen hatte, dass die humanitäre Lage im Gazastreifen „kritisch“ sei, weil die Menschen kein Gas zum Kochen hätten, brannte das Depot stundenlang mit greller Flamme. Offenbar gab es durchaus Kochgas, aber es wurde von der Hamas nicht ausgeteilt. Über das weitere Vordringen gab es nur spärliche Informationen. Palästinensische Augenzeugen wollen zwei Panzer und eine Planierraupe in der zerstörten ehemaligen Siedlung Netzarim gesichtet haben, während der britische Fernsehsender Sky News in Netzarim ganze 150 israelische Panzer dort gesichtet haben will.
Netzarim liegt genau in der Mitte des Gazastreifens, nahe der Stadt Gaza. Mit diesem Vorrücken zerschneidet die israelische Armee den nur 10 Kilometer breiten Landstreifen in zwei Teile. Gleichzeitig seien Truppen sowohl im Norden wie auch im Süden bei der Grenzstadt Rafah und dem „Arafat International Airport“ vorgerückt. Es gebe Kämpfe, heißt es in israelischen Medienberichten, und die Armee habe begonnen „Hamasmitglieder zu verhaften“. Es werden auch „Hausdurchsuchungen“ gemeldet. Am Sonntag Morgen wurde zudem eine weitere Moschee in Beth Hanoun getroffen, obgleich Ägypten die Israelis dringend aufgefordert hatte, keine islamischen Gotteshäuser anzugreifen. Die Ägypter fürchten, dass das unnötige Wut in der muslimischen Welt auslösen könnte. Wie schon bei anderen Moscheen stieg nach dem Treffer lange Zeit schwarzer Rauch aus der getroffenen Moschee auf. Sogar aus der Ferne konnte man auf den live-Fernsehaufnahmen Explosionen sehen. „Das ist der Beweis, dass in der Moschee große Mengen Sprengstoff und Munition gelagert waren“, erklärte ein General a.D. im Studio eines israelischen Fernsehsenders. Behauptungen der Hamas, zwei Soldaten entführt zu haben, wurden vom israelischen Militärsprecher mit aller Schärfe dementiert.
Im Rahmen des Propagandakrieges behauptete ein Sprecher der UNWRA Flüchtlingshilfeorganisation: „Mich ekeln Leute an, die behaupten, dass es keine humanitäre Krise in Gaza gebe. Das ist absurd.“ Die israelische Außenministerin Zipi Livni hatte Gerüchte über eine humanitäre Krise „in den Bereich der Fantasie“ verwiesen. Während der Kämpfe habe Israel doch mindestens 90 vollbeladene Lastwagen mit Medikamenten und Nahrungsmitteln durchgelassen. Die Lager der Hilfsorganisationen im Gazastreifen seien so voll, „dass wir gebeten worden sind, keine weiteren Lieferungen durchzulassen“, behauptete ein israelischer Regierungsbeamter. Er lieferte sogar eine „Erklärung“ für die angebliche Notlage in den überlasteten Krankenhäusern in Gaza einerseits und den vermeintlich gefüllten Lagerhallen andererseits: „Wegen der Bombardements haben die Mitarbeiter der Hilfsorganisation Angst, sich auf die Straße zu begeben und die Waren zu verteilen.“
Obgleich in Tel Aviv noch große Wahlplakate der Arbeitspartei mit einem Bild von Verteidigungsministers Ehud Barak wirbt, „Schaut der Wahrheit in die Augen“, bleibt im Krieg die Wahrheit immer als Erstes auf der Strecke.


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