Israel will „Schweigen brechen“ zum Schweigen bringen

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Jerusalem, 2. August 2009 – Zehn israelische Menschenrechtsorganisation haben gegen die Regierung protestiert, die vom Friedensaktivisten Jehuda Schaul geleitete Organisation „Schweigen brechen“ zum Schweigen zu bringen.
„Schweigen brechen“ hatte kürzlich einen weltweit beachteten Report mit anonymen Zeugenaussagen von 30 Soldaten veröffentlicht. Die hatten der vermeintlich „moralischsten Armee der Welt“ (so Verteidigungsminister Ehud Barak) Verstöße gegen Kriegs- und Menschenrechte während des Gazakriegs vorgeworfen. Der Militärsprecher hatte den Bericht als „unseriös“ abgetan, weil die Aussagen anonym und ohne Angaben über Ort und Zeitpunkt der beanstandeten Militäroperationen gemacht worden seien, was eine Strafverfolgung möglicher Täter verhindere.
In ihrem Aufruf vom Sonntag haben Betzelem, Rabbiner für Menschenrechte, das Öffentliche Komitee gegen Folter und andere Organisationen die Regierung aufgefordert, ihr Vorgehen gegen eine ausländische Finanzierung von „Schweigen brechen“ einzustellen. Die Darstellungen der Soldaten entsprächen nicht der „offiziellen Sicht des Krieges“, wie ihn die Regierung gern verbreite, heißt es in dem Protestschreiben. „Schweigen brechen“ rufe die israelische Öffentlichkeit auf, ihre „Illusionen“ abzulegen und sich an einer „bedeutungsvollen Diskussion über Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen.“
Derweil hat der stellvertretende Generaldirektor des israelischen Außenministeriums, Rafi Barak, zweimal den britischen Botschafter Tom Phillips vorgeladen. Barak protestierte gegen Erklärungen des britischen Sprechers Martin Day gegenüber dem arabischen Fernsehsender Al Arabija, wonach London „praktische Schritte“ unternehme, die Siedlungspolitik Israels einzufrieren. So finanzieren die Briten laut Day den Bau palästinensischer Häuser in Ostjerusalem, um israelische Bautätigkeit einzudämmen. Ebenso finanzieren die Briten Organisationen, die Israels Siedlungsaktivitäten beobachten.
Eine Sprecherin der britischen Botschaft in Tel Aviv dementierte zwar die finanzielle Unterstützung palästinensischer Bautätigkeit in Ostjerusalem, bestätigte aber, in vier Jahren mit 530.000 Euro Palästinensern geholfen zu haben, israelische Bebauungspläne zu verstehen und Baugenehmigungen zu beantragen.
Jossi Levy, Sprecher des israelischen Außenministeriums, bezeichnete diese Vorgänge als „unerhörte Chutzpe“. Ein anderer Beamter meinte: „Ein befreundetes Land darf oppositionelle Aktivitäten gegen die Politik einer demokratisch gewählten Regierung nicht unterstützen.“
Ebenso wurde der holländische Botschafter wegen der Finanzierung des Reports von „Schweigen brechen“ ins Außenministerium bestellt. Der israelische Diplomat Harry Knei-Tal erklärte dem überraschten Botschafter, der angeblich nichts von der Finanzierung wusste, dass „die holländischen Steuergelder besser bei der Förderung des Friedens aufgehoben wären“. Auch Hollands Außenminister Maxime Verhagen sei über die Zuwendung von 19.995 Euro an „Schweigen brechen“ aus der Portokasse der Botschaft nicht informiert gewesen. Wären es nur fünf Euro mehr gewesen, hätte sich die Botschaft in Tel Aviv eine Genehmigung aus Den Haag einholen müssen.
Israels Regierung will auch bei Spanien vorsprechen. Madrid habe 2009 „Schweigen brechen“ mit 80.000 Euro unterstützt. Die gleiche Summe erhielt das Komitee gegen die Zerstörung palästinensischer Häuser des linksextremen Jeff Halper. Der wurde verhaftet, als er mit anderen „Friedensaktivisten“ per Schiff von Zypern aus die israelische Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen wollte. Den „Rabbinern für Menschenrechte“ habe Spanien 70.000 Euro gespendet, der Vereinigung für zivile Rechte in Israel sogar 100.000 Euro.
Jenseits der grundsätzlichen Frage, ob fremde Regierungen Vereine mitfinanzieren sollten, die teilweise sogar mit gewalttätigem Widerstand gegen die Politik einer demokratisch gewählten Regierung vorgehen, kann eine derartige Finanzierung nicht ohne weiteres „verboten“ werden. In Israel ist es politischen Parteien strikt verboten, Spenden von Ausländern oder ausländischer Regierungen anzunehmen. Zuwendungen an Nichtregierungs-Organisationen für illegal zu erklären, sei jedoch problematisch. Das berichtet eine Zeitung über eine Diskussion im Außenministerium. Es müsse ein Gesetz formuliert werden, das zwischen politisch unerwünschten Organisationen und wohltätigen Vereinen wie „Hadassa“ unterscheide, die mit Spendengeldern Hospitäler unterstützen. Auch angesehene Nicht-Regierungsorganisationen wie Adenauer Stiftung oder Friedrich-Ebert-Stiftung, die in Israel willkommene politische Arbeit leisten, müssten von dem Gesetz ausgenommen bleiben.
Eine peinliche Panne passierte den Amerikanern, nachdem sie Israel wegen „illegaler Bautätigkeit“ gerügt hatten. Mit 281.000 US Dollar finanzierten sie einen „Friedenspark“ der Stadtverwaltung Beth Sahour bei Bethlehem auf dem weiterhin unter israelischer Kontrolle stehenden Gelände des geräumten Militärstützpunkts Schdema. Die USA rühmen sich mit einem Hinweisschild für die „Entwicklungshilfe“. Sie hatten jedoch übersehen, dass es die Palästinenser offenbar für überflüssig hielten, sich bei den Besatzungsbehörden eine Baugenehmigung einzuholen. Washington  bemühe sich jetzt um eine nachträgliche Genehmigung für die Fertigstellung der halbfertigen Bauten, einem Parkplatz und einem Amphitheater, berichten israelische Medien.


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