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EINE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE…
SZ – Anklage mit weichem Kern – Bundesgerichtshof muss klären, ob Iran nach Atomwaffen strebt
Als Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad jüngst vor den Vereinten Nationen in New York redete, überzog er Amerika mit Häme und Verwünschungen. Wie jedes Jahr. Dabei hätte er diesmal sogar Anlass zur Dankbarkeit gehabt, denn vor zehn Monaten taten ihm die US-Geheimdienste einen riesigen Gefallen: In ihrer gemeinsamen Lageeinschätzung („National Intelligence Estimate“) befanden sie, Iran habe schon im Jahr 2003 die Bemühungen eingestellt, eine Atomwaffe zu entwickeln. Eine Niederlage für Präsident George W. Bush, der weltweit für härtere Iran-Sanktionen wirbt. Bush, der kurz vor Veröffentlichung des NIE noch vom Dritten Weltkrieg gegen Iran redete, war düpiert.
Der zweifelhafte Freispruch des Teheraner Regimes durch die US-Dienste hat allerdings nicht nur Folgen für die Weltpolitik; er könnte sich jetzt auch auf die strafrechtliche Verfolgung jener auswirken, die in Deutschland für Irans umstrittenes Atomprogramm einkaufen. Generalbundesanwältin Monika Harms mussste unlängst schon einen Rückschlag hinnehmen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main lehnte es schlicht ab, einem deutsch-iranischen Geschäftsmann den Prozess zu machen. Die Bundesanwaltschaft hatte ihn im Mai angeklagt, weil er den Verkauf von Hochgeschwindigkeitskameras nach Iran vermittelt haben soll, mit denen man theoretisch einen Atomtest filmen kann. Laut Anklage hat der Verdächtige gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen, weil er dabei half, eine Atomwaffe zu entwickeln.
Aber das Oberlandesgericht weigerte sich, auch nur einen Prozess anzusetzen. Am 6. August teilte dessen Staatsschutzsenat knapp mit, ein Hauptverfahren komme aus „rechtlichen und tatsächlichen Gründen“ nicht in Frage. Der Geschäftsmann wurde nach neun Monaten in Untersuchungshaft freigelassen. Die Richter waren von einer zentralen These der Anklage nicht überzeugt: Dass Iran in der Tat eine Kernwaffe plant. Und wie soll man einem Angeklagten vorwerfen, die iranische Bombe zu vollenden, wenn man gar nicht weiß, ob Iran sie überhaupt anstrebt? Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Frage auf jenes National Intelligence Estimate berufen, das Iran im Dezember 2007 so überraschend entlastet hatte. Wenn sogar die Amerikaner davon überzeugt sind, dass Iran keine Atomwaffe herstellt – wie soll dann ein angeblicher Beschaffer schuldig sein?
Die Bundesanwaltschaft hat sofortige Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt und will damit doch noch einen Prozess erzwingen. Der Fall hat damit grundsätzliche Bedeutung erlangt für etliche deutsche Ermittlungsverfahren gegen jene Schmuggler, die im Auftrag Teherans westliche Technik beschaffen. Falls sich der BGH den Frankfurter Richtern anschließt, könnte die Bundesanwaltschaft künftige Anklagen wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gleich lassen – zumindest, wenn sie Iran betreffen. Die Bundesanwaltschaft dürfte jetzt versuchen, bessere Beweise für Teherans böse Absichten vorzulegen. Mit windigen Geheimdienstprognosen aber werden sich die obersten Richter nicht zufriedengeben: Schon im Prozess gegen die Helfer der Todespiloten vom 11. September 2001 hatte der BGH gerichtsfeste Beweise eingefordert.
Damit bleiben den Anklägern im Prinzip nur die sorgenvollen Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Die beklagt zwar regelmäßig Irans mangelnde Kooperation, besitzt aber selbst keinen Beweis für Irans Streben nach der Bombe. Nicolas Richter
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